In a Nutshell – Die Transformation der Branche geht weiter
Das Jahr hat gerade erst begonnen und schon ist klar, dass es aufgrund der winterlichen Wetterkapriolen Anfang Januar in Erinnerung bleiben wird. Doch nicht nur das Wetter wird dafür sorgen, dass wir das Jahr 2019 aus Sicht der Energiewirtschaft gut in Erinnerung behalten werden. Die energiewirtschaftliche Agenda für 2019 ist schon jetzt übervoll. Über die Anzahl der Schwerpunkte lässt sich freilich streiten. Fakt ist, dass sich die Energiewirtschaft insgesamt mitten in einer grossen und noch lange andauernden Transformation befindet. . Es ist leider auch keine behutsame Anpassung an ändernde Rahmenbedingen, sondern die Branche befindet sich umgeben von Ansätzen, Technologien und Entwicklungen, die allesamt ein hohes Potential zur Disruption haben. Die „10 Top-Trends der Energiewirtschaft in 2019“ beschreiben daher auch Massnahmen, welche die schon längst angebrochene „Revolution“ in der Branche klar untermauert Es klingt nach vielen „alten Bekannten“ und daher irgendwie nach Evolution, aber jedes Thema hat. . Auf der einen Seite gibt es da die grossen strategischen Schwerpunkte, die der Branche wie ein Bleigewicht um den Hals hängen: allen voran die Gewissheit, dass das aktuelle Geschäftsmodell und die stabilen Margen nicht nachhaltig sind. Auf der anderen Seite steht die Vielzahl von operativen Herausforderungen, die viel Fleiss, Investition und Know-how erfordern. Nicht zuletzt gibt es reichlich Bewegung im Bereich der technologischen Treiber.
- Keine Angst vor Veränderung: Neue Geschäftsmodelle
- Das Ende der „Lonesome Cowboys“: Partnernetzwerke und Kooperationen
- Runderneuerung von innen: New Work, New Skills, New People
- Erwachende Schwarmintelligenz: Umgang mit Smart Grids
- New Kids on the Block: Immer mehr Konkurrenz
- Einfach machen: E-Mobilität, Smart City, Speicher, Netzausbau….
- Auf Diät setzen: Reduktion von Prozesskosten
- Kein Trend, sondern Verpflichtung: Digitalisierung
- Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: SAP R3 geht, SAP/4 HANA kommt
- Die neue Verletzlichkeit: Cyber Security im Bereich IT und OT
Im Detail – 10 Top-Trends 2019, drei Perspektiven: Strategische Ausrichtung, Operative Herausforderungen und Technologische Neuerungen
A) Strategisch
1. Keine Angst vor Veränderung: Neue Geschäftsmodelle
Das Kernproblem der Branche bleibt: Strom verkaufen im liberalisierten Endkundenvertrieb lohnt sich nur noch in der Schweiz und auch dort nur noch zeitlich befristet. Die satten Jahre mit hohen EBIT-Margen sind vorbei und noch schlimmer: Es ist sicher, dass diese so nie wiederkommen. Doch was tun, wenn auf der einen Seite die Umsätze wegfallen und die Fixkosten bleiben? In stätischen Betrieben werden – sofern nicht bereits geschehen – mittelfristig dringend benötigte Überschüsse für Quersubventionen von städtischen Verkehrsbetrieben und anderen Tochtergesellschaften fehlen, ganz zu schweigen von den fehlenden Steuereinnahmen bzw. Dividendenausschüttungen für die Anteilseigner. Die (drohende) Erosion der Umsätze ist ein Fakt und Entscheider, die in 2019 nicht ernsthaft Handlungsoptionen prüfen, gefährden die Zukunft der von Ihnen verantworteten Unternehmen. Experten mögen sich streiten, ob es bereits „Fünf vor Zwölf“ ist, aber viel Zeit bleibt in keinem Fall. Insofern gilt es in 2019 einfach zu beginnen und zu experimentieren.
Es ist am Ende auch keine Frage der Optimierung des ROIs (Return on Investments) der eingegangenen Investitionen in neue Geschäftsmodelle, sondern schlicht eine Frage des Überlebens. Wer nichts tut, wird sich in keinem Fall an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen, wer es versucht, hat eine Chance! Neue Geschäftsmodelle beginnen bei den schon lang diskutierten Services in energienahen Bereichen, gehen über den Aufbau von neuen energienahen Produkten (z.B. im Bereich der E-Mobilität) und hören auch nicht bei der Bündelung neuer Produkt- und Servicepakete auf. Dies gilt auch für nicht energienahe Bereiche, wie z.B. die Bündelung mit Telefonie oder einem Wäscheabo. Auch eine neue Markpositionierung der Energieversorger im Bereich von IoT (Internet of Things) und Smart City sind lohnende und zwingende Anknüpfungspunkte!
2. Das Ende der „Lonesome Cowboys“: Partnernetzwerke und Kooperationen
Das „Neue“ bei den neuen Geschäftsmodellen ist nicht nur das „was“, sondern auch das „wie“. Schon länger wird deutlich, dass das Modell von mehr oder weniger autarken energiewirtschaftlichen Unternehmen nicht nur veraltet, sondern betriebswirtschaftlich auch falsch ist. Den unabhängigen „lonesome Cowboy“ gibt es nicht mehr. Kooperation mit Partnern ist wichtig und ökonomisch von Vorteil, wenn jede Seite das beiträgt, was sie am besten und ggf. besser als die andere Seite kann. Natürlich ist es immer besser, die gesamte Wertschöpfungskette zu bedienen und damit die Margen im vollen Umfang abzuschöpfen. Aber Chancen bedeuten auch Risiken. Sich zum Beispiel mit Partnern Investitionsrisiken zu teilen, kann daher sogar ein Katalysator sein, Entscheidungen für neue Geschäftsmodelle schneller zu treffen, da das eingegangene Risiko sinkt. Doch nicht nur das „New Biz“, also die neuen Geschäftsmodelle, profitieren von Partnering und Kooperationen. Auch eine Zusammenarbeit im Bereich von Services wie Personal, Einkauf oder die Anlagenwartung im Sinne einer Entwicklung von Shared-Service Centern kann vorteilig sein. Das Jahr 2019 sollte in dieser Hinsicht genutzt werden, um sich nüchtern zu fragen, was man wirklich gut kann und wo andere ggf. effizienter bzw. effektiver sind.
B) Operativ
3. Runderneuerung von innen: New Work, New Skills, New People
Es ist fast zynisch: Die Energiewirtschaft malt düstere Zukunftsszenarien, während die Weltwirtschaft seit Jahren boomt. Immer wenn die Wirtschaft boomt kommt es zum Kampf um die besten Mitarbeiter. In 2019 wird die Energiewirtschaft erneut merken, dass sie dringend benötigte hochqualifizierte Arbeitskräfte für die andauernde Transformation schwer binden kann. Ja, die Branche wird Mitarbeiter verlieren. Zudem sich, in Anbetracht der Risiken am Horizont, selbst die risikobewussten Mitarbeiter für Angebote von aussen interessiert zeigen werden. Es wird zum Verlust von Mitarbeitern, von Kompetenzen und damit schlussendlich zum Verlust der Transformationsfähigkeit kommen. Doch auch hier hilft kein lamentieren, sondern die Flucht nach vorn.
“New Work heisst: Sich „von innen“ erneuern. #NewWork“
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New Work ist mehr als ein Schlagwort der Zeit und es gibt viele Namen für das Konzept, aber in der Sache heisst es: Sich „von innen“ zu erneuern. Einige Energieversorger befinden sich im Hinblick auf einen attraktiven Arbeitsplatz in einer grauen Vorzeit. Doch die besten, die wichtigsten Mitarbeiter zu halten ist ein operationeller Imperativ! Es ist an der Zeit, Strukturen zu verändern, d.h. Strukturen bzgl. Kollaboration (People), Arbeitsplatz (Places) und Arbeitsmitteln (Tools) zeitgemäss und effizient zu gestalten. Nur wer hier operativ investiert, kann auch moderne Arbeitsformen wie das Home Office umsetzen. Denn schliesslich ist „Home Office“ nicht einfach eine weitere Direktive, sondern ein Puzzlestück im Rahmen einer neuen Arbeitskultur und der zur Verfügung gestellten Rahmenbedingungen. Veränderungen der Rahmenbedingungen um die Kollaboration zu verbessern gibt es auch im Bereich der Technologie: Office365, Microsoft Teams und Produkte anderer Anbieter sind technologische Enabler für neues Arbeiten. Es ist unabdingbar, sich frühzeitig damit zu beschäftigen, um am Ende nicht ein angeschlagenes Schiff ohne Mannschaft vorzufinden.
4. Erwachende Schwarmintelligenz: Umgang mit Smart Grids
Das Thema Smart Grids ist weder neu noch innovativ. Disruptiv ist es jedoch allemal! Das Konzept ist denkbar einfach: Nachdem viele Jahre die Wertschöpfung in der Energiewirtschaft sehr linear war (Produktion, Übertragung, Verteilung, Messwesen) an deren Ende irgendwo der Kunde stand, kehrt sich dieses Modell nun um. Durch erneuerbare Energien und geeignete Technologien (hieran hat es viele Jahre lang gehapert), können sogenannte „Prosumer“ Kleinstmengen in das Netz einspeisen oder regulär Energie beziehen. Spezifische Steuerungsverfahren regeln Angebot und Nachfrage im Netz in Echtzeit. Eine Vielzahl von autonomen Einheiten wird wie eine Schwarmintelligenz miteinander interagieren und eine effiziente Regelung von Angebot und Nachfrage sicherstellen – im wahrsten Sinne also ein „smartes“ Netz. Die Herausforderungen und Konsequenzen für Netz und Branche sind immens: Rechtlich, physikalisch, technologisch und eben auch wirtschaftlich. Auf vielen Konferenzen wird derzeit leidenschaftlich über die vielen Implikationen und (noch) unlösbaren Aufgaben gestritten. Doch es hilft nichts: Smart Grids werden Realität und die Branche muss sich darauf einstellen.
Ein schwergewichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist die Netzstabilität und der Netzausbau, denn eine dezentrale Produktion braucht andere Netze und eine veränderte Steuerung. Insofern triggert das Thema Smart Grids eine ganze Lawine von Themen, die dringend auf jede operative Agenda von Energieversorgern, Verteilnetz- bzw. Übertragungsnetzbetreibern gehören. Gerade das Thema Steuerung von Smart Grids darf hier nicht vergessen werden. Aktuell drängen viele kleine Technologie-Player auf den Markt, um diese Rolle wahrzunehmen. Noch besteht die Chance, das Zepter als Energieversorger diesbezüglich selbst in die Hand zu nehmen, denn die Kunden und die Infrastruktur sind noch im Zugriff der Energieversorger. Eine einfache Handlungsoption: Kleine Piloten mit Technologieanbietern anstossen, beispielsweise mit jenen, die die Angebots- und Nachfragesteuerung anbieten, und dadurch diese Anbieter binden. Dies ist auch ein erster Schritt in Richtung Entwicklung des Partnernetzwerkes.
5. New Kids on the Block: Immer mehr Konkurrenz
Früher war die Welt so schön: Die einen hatten das Kapital und die Infrastruktur für Energieproduktion und Verteilung, die anderen – die Kunden – haben abgenommen was ihnen angeboten wurde. Dies gibt es so nicht mehr. Neue Anbieter stossen im Rahmen der Entwicklung der erneuerbaren Energien und des Aufkommens neuer energienaher Services auf den Markt und knabbern so sukzessiv am Kuchens der Etablierten. Gleich vorab: Diese Entwicklung wird sich weder in 2019 noch sonst irgendwann mehr ändern! Dies ist auch gut so, denn es erhöht den Wettbewerb und damit die Effizienz des Marktes. Die Frage ist daher eher, wie man als Energieversorger damit umgeht. Einige Punkte wurden bereits diskutiert: Es macht durchaus Sinn, die Entwicklungen genau zu beobachten, und Partnerschaften einzugehen, um die eigene Wertschöpfung zu ergänzen, bzw. um sich Kompetenzen zu sichern, die man schlicht selbst nicht aufbauen kann. Auch zahlt diese Diskussion auf die strategische Diskussion der Geschäftsmodelle ein. Wie immer im Leben wird man nicht alles machen können und man muss Ressourcen fokussieren. Insofern gilt es hier sicherlich, einerseits die Situation zu beobachten und Entscheidungen bzgl. der langfristigen Geschäftsstrategie abzuleiten. Andererseits werden auch kurzfristig Entscheidungen nötig. Im Zweifel auch einfach die Entscheidung, dass nichts unternommen werden muss, weil die Konkurrenz die eigenen Geschäftsfelder nicht gefährdet. Wichtig wird es bleiben, aufmerksam Entwicklungen zu beobachten, Technologien zu verstehen und Implikationen zu kennen, um bewusste Entscheidungen zum Umgang mit den neuen Konkurrenten zu fällen. Auch das ist wieder ein Thema, welches neue Kompetenzen bei der Belegschaft erfordert.
6. Einfach machen: E-Mobilität, Smart City, Speicher, Netzausbau….
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Konzepten auf dem Tisch liegen, um dem Strukturwandel der Energiewirtschaft und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen zu begegnen. Das Thema Energiewende ist hier ein wesentlicher Treiber. Leider ist – trotz diverser Piloten – ein gegenseitiges „Beobachten“ in der Branche festzustellen. Jeder wartet, dass ein anderer den ersten Schritt macht. Aus verschiedenen Gründen ist das Verhalten sehr gut nachvollziehbar und damit berechtigt: Investitionen und deren Risiken müssen genau geprüft werden. Doch zu lange warten schadet und es nützt am Ende niemandem, wenn ein Dritter in den Markt eintritt. Doch es zeichnet sich ab, dass in 2019 viele kleine Projekte gestartet werden.
Das Thema Elektromobilität und der dadurch erforderliche Ladesäulenausbau ist den Kinderschuhen nun entwachsen und macht sich auf für Grosses. Die Automobilhersteller planen die politisch gewollte Absatzsteigerung für E-Autos. Ohne Strom und damit Ladesäulen ist dies jedoch nicht möglich. Die Frage ist, welche Rolle sich ein lokaler oder regionaler Energieversorger hier sichern kann. Möglichkeiten gibt es viele, aber jetzt ist die Zeit damit zu starten.
“Die 5G-Technologie wird für IoT-Anwendungsfälle eine ungeheure Beschleunigung bringen. #5G #IoT“
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Auch weitere Themen stehen auf der operativen To-do-Liste von Energieversorgern im Kontext der E-Mobilität: z.B. der Netzausbau. Doch prüfen auch immer mehr Unternehmen Potentiale im Bereich von Smart City. Eigentlich eine natürliche Rolle für städtische Unternehmen mit einem Zugriff auf wichtige Infrastruktur. Hier können viele Innovationen und Initiativen erwartet werden. Technologisch stehen nun Möglichkeiten zur Verfügung, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren. Allein die 5G-Technologie aus dem Bereich der Telekommunikation wird für IoT-Anwendungsfälle (Internet of Things) eine ungeheure Beschleunigung bringen. Dies wiederum wird Smart City Anwendungen befruchten, denn die Vernetzung von kommunizierenden Geräten ist die Basis für effektive Smart-City-Ökosysteme.
Doch nicht nur technologieorientierte Themen werden in 2019 mit Hochdruck bearbeitet. Auch die Weiterentwicklung von Speichertechnologie in ganz konkreten Anwendungsfällen wird sich sprunghaft entwickeln. Speicher sind ohnehin die Antwort auf viele aktuelle Fragen der Energiewirtschaft: Auch das „Schreckgespenst Netzausbau“ kann mit geeigneten Speichermedien (Stichwort „Power-to-X“) gezähmt werden. Nur wer diese beiden Themen angeht kann effektiv neue Produkte wie E-Mobilität im Versorgungsgebiet anbieten. Insofern wird klar: Warten ist keine Option mehr und 2019 wird viele weitere Piloten hervorbringen.
7. Auf Diät setzen: Reduktion von Prozesskosten
Viele Jahre wurden Prozesskosten, sprich operative Kosten, in der Energiewirtschaft vernachlässigt. Aufgrund der guten Margen gab es schlicht keinen Handlungsdruck, sich mit diesem lästigen Thema zu beschäftigen. Während in anderen Industrien, wie z.B. in der Automobilwirtschaft, das Thema Kosten seit Jahrzehnten eine der Top-Prioritäten ist, wurde dieses „lästige“ Thema in der Energiewirtschaft aufgrund der komfortablen Situation – wenn überhaupt – nur mit geringer Priorität verfolgt. Das hat sicher auch etwas mit der Struktur der oft stätischen Unternehmen zu tun und deren Anspruch, Arbeitsplätze vor Profitabilität zu stellen. So edel dieses Ziel jedoch ist, so wenig tragfähig ist es langfristig. Nur effiziente Organisationen sind langfristig in der Lage, Arbeitsplätze wirklich zu sichern. Langsam beginnt sich die Branche zu wandeln und Kosten rücken in den Fokus des Managements – und das ist auch gut so! Grosse Energieversorger fahren bereits Programme, um Kosten zu reduzieren.
In 2019 und den Folgejahren werden auch immer mehr mittelständische Unternehmen das Thema fokussieren. Der Fokus ist dabei in erster Linie die Optimierung von operativen Arbeitsabläufen und damit die Prozesskosten. Das bedeutet im Übrigen nicht in erster Linie ein Mitarbeiterabbau. Für die behutsame Reduktion von Mitarbeitern hingegen, stehen andere Instrumente zur Verfügung, z.B. kein Ersatz bei Renteneintritt, Vorruhestandsregelungen und weitere. Prozessoptimierung kann durch eine Vielzahl von Ansätzen erreicht werden, z.B. durch Unterstützung von Wartungsarbeiten durch mobile Endgeräte und integrierte Systeme (Mobile Workforce Management). Auch administrative Prozesse in den funktionalen Unterstützungsbereichen wie Finance und Einkauf können zum Teil erheblich optimiert werden. Der Erfolgsfaktor dabei ist jedoch die Ganzheitlichkeit des Ansatzes und keine Sammlung von Einzelmassnahmen. Prozesse sind immer Ende-zu-Ende zu betrachten und zum Teil auch völlig neu zu gestalten. Hier gibt es durch die Digitalisierung, d.h. die Automatisierung von Prozessen und innovativen, technologiegetriebenen Lösungsansätzen für klassische Aufgaben, erhebliches Potential.
C) Technologien
8. Kein Trend, sondern Verpflichtung: Digitalisierung
Die Digitalisierung ist eines der grossen Schlagwörter der letzten Jahre und wird es auch bleiben! Wichtig für alle: Es handelt sich um keinen Trend. Digitalisierung ist ein Strukturwandel, vergleichbar mit der Industriellen Revolution im 18./19. Jahrhundert. Auch wenn der Vergleich sicher etwas hinkt: Die Digitalisierung ist die Dampfmaschine des 21. Jahrhunderts. Produktionsunternehmen, welche sich im England des 18. Jahrhundert gegen die Industrialisierung gestemmt haben, konnten ihr Unternehmen danach bestenfalls als Museumsbetrieb weiterführen. Insofern ist es auch eher eine Verpflichtung für jeden Manager – egal in welcher Branche – sich des Themas anzunehmen. Leider ist Strukturwandel und damit auch Digitalisierung nicht ohne Aufwand! Aber nichts tun ist – wie schon mehrfach erwähnt – keine Alternative.
Doch was bietet die Digitalisierung für den Manager eines Energieversorgers? Vor allem einen Instrumentenkasten mit einer Vielzahl von neuen Werkzeugen. Dabei geht es nur zum Teil darum, alte Werkzeuge mit Neuen zu ersetzen. Vielmehr hat die Digitalisierung mit ihren neuen Werkzeugen das Potential, bestehende Prozesse vollständig neu zu strukturieren und vollständig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Für Anwendungsfälle gibt es dabei keine Grenzen – fast alles ist „digitalisierbar“! Besondere Aufmerksamkeit erhalten naturgemäss die neuen Geschäftsmodelle, wie die Steuerung von Smart Grids durch künstliche Intelligenz, die Herkunftsnachweise von Strom via Blockchain-Technologie oder die Entwicklung von Plattformgeschäftsmodellen á la Amazon für Regionalversorger, die kleineren Stadtwerken White-Label-Produkte/ Services anbieten möchten. Aber es gibt auch diverse Möglichkeiten, Prozesse durch Technologie zu beschleunigen: z.B. durch Robotic Process Automatisation (RPA). Hierbei handelt es sich um eine Art Prozessautomatisierung 2.0, nur dass heutzutage auch mehrere Medienbrüche verschiedener Systeme überbrückbar sind und demnach auch komplexe Handlungs- und ggf. Entscheidungsprozesse automatisiert werden können.
Das Spielfeld und die Möglichkeiten sind riesig und es ist hier ein wenig wie mit dem beliebtesten Neujahrsvorsatz: Wer im kommenden Jahr mehr Sport machen möchte, muss als aller erstes den inneren Schweinehund überwinden, muss sich Sportsachen anziehen und starten!
9. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: SAP R3 geht, SAP/4 HANA kommt
Die mit unbeliebtesten Gesprächsthemen, welche man im unternehmerischen Alltag ansprechen kann, heissen „SAP-Implementierung“ oder „neues SAP Release“ und ähnliches. So genial das Tool ist und so integrierend es wirkt, so störrisch und spaltend ist es doch zumeist während seiner Einführung. Nun gibt es die Situation, dass die aktuelle Systemgeneration R/3 nur noch bis 2025 von SAP serviceseitig unterstützt wird. Was zunächst harmlos klingt ist ein Paukenschlag und in den Chefetagen schon lange angekommen: SAP zwingt damit alle Anwender zu einem „Upgrade“ auf das neue SAP/4 HANA. Leider verhält es sich damit nicht wie mit einem der Updates des Virenscanners, sondern es handelt sich um eine Mammutaufgabe, welche viel operative Ressourcen und ebenso viel Managementfokus bedarf. Was weit entfernt klingt, ist es jedoch nicht. Spätestens in 2019 müssen sich Unternehmen die Frage stellen, wie sie sich diesem Thema stellen wollen, um entsprechende Projekte in die ohnehin schon volle Transformationsagenda einzubetten. Das Thema wirkt dabei unnötig wie ein Kropf, aber es führt kein Weg daran vorbei. Doch es bietet auch viele Chancen: Zum einen bietet es gerade für kleinere Energieversorger und/oder Verteilnetzbetreiber die Chance, den Einsatz von SAP zu hinterfragen und alternative ERP-Systeme zu prüfen. Zum anderen ist der Schritt zur neuen Generation zu SAP/4 HANA vor allem aufgrund der neuen zugrundeliegenden Datenbanktechnologie interessant. Ganz generell wird vieles schneller und die Verarbeitung von Massendaten einfacher, was wiederum die Entwicklung neuer, ggf. datengetriebener Geschäftsmodelle unterstützt.
Ganz konkret wird sich aber die Logik des von SAP verwendeten „Utilities-Moduls“ verändern, so dass es tatsächlich keine einfache Migration von einem auf das nächste System ist, sondern eine Art Neuentwicklung. Diese Neuentwicklung wird viel Aufwand auf Seiten der Energieversorger verursachen, da diese einzelne Prozesse teilweise von Grund auf neu konzipieren müssen. Das wiederum hat weniger etwas mit dem neuen System zu tun, sondern vor allem damit, dass in Zukunft aufgrund der neuen Geschäftsmodelle veränderte Prozesse erforderlich sind. Was heisst das? Schauen wir uns die Abrechnung im klassischen Energiegeschäft an. Im Grunde eine extrem einfache Angelegenheit: Es gibt unterjährige Abschlagsrechnungen auf Basis von Prognose und historischen Verbrauchswerten und es gibt eine jährliche Abrechnung auf Basis des tatsächlichen Verbrauchs. Neue Geschäftsmodelle werden aber auch Services beinhalten, sowie andere Produkte, die ggf. monatlich abgerechnet werden müssen. Eine fundamentale Veränderung der Abrechnungslogik die systemisch abgebildet werden muss. Auch die Verwendung von Kundenstammdaten wird sich nicht zuletzt durch Kundenwechsel verändern. Unternehmen werden zukünftig flexibler. Schon heute wachsen grössere Versorger durch Zukauf von Handwerksunternehmen, um beispielsweise im Servicebereich aufzustocken. Das wiederum zwingt Energieversorger, regelmässig neue Kundenstämme zu integrieren und neue Geschäftsmodelle relativ schnell in die eigene Systemlandschaft einbinden zu können, bzw. auch Geschäftsbereiche aufgrund von Verkauf zu desintegrieren. Diese Flexibilität muss systemisch abgebildet werden. Gut ist, dass SAP – aufgrund seines Generationswechsels der Systeme – zwingt, sich mit der leidigen Systemfrage zu beschäftigen. Doch natürlich sind viele der angesprochenen Themen im Ergebnis völlig unabhängig von dem Waldorfer Anbieter. Wichtig ist, dass das Thema nicht nur als IT-Anpassung betrachtet wird, sondern auch im Hinblick auf die strategischen Veränderungen im Rahmen neuer Geschäftsmodelle.
10. Die neue Verletzlichkeit: Cyber Security im Bereich IT und OT
„Weder Fisch noch Fleisch“ beschreibt eine Eigenschaft oder Sache, die man keiner Kategorie eindeutig zuordnen kann. Cyber Security ist sicher so ein Thema, welches wahrscheinlich aufgrund dieser Dialektik viel zu oft falsch einsortiert und bearbeitet wird. Gleich vorab: Es ist kein IT-Thema! Mehr noch als in den letzten Jahren wird Cyber Security in den Fokus von Management, Aufsichts- oder Verwaltungsrat von Unternehmen rücken. Und der Grund ist denkbar einfach: Cyber Security beschreibt weniger einen Zustand der Sicherheit, als – sofern nicht vorhanden – ein Risiko, dem Unternehmen aufgrund von Attacken infolge der Vernetzung mit dem Internet ausgesetzt sind. Ein Risiko, welches im Fall von Energieversorgern schwere Folgen für die Versorgungssicherheit haben kann, sodass dessen Vermeidung höchste Priorität haben muss. Cyber Security ist im Zeitalter der Digitalisierung eine neue Kompetenz zur Sicherstellung der operativen Leistung eines Unternehmens. Und nur zur Erinnerung: Digitalisierung ist eine Verpflichtung. Nicht digitalisieren und sich nicht mit neuen, digitalen und datengetriebenen Geschäftsmodellen auseinander zu setzen, ist keine Option!
“#Digitalisierung ist eine Verpflichtung.“
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Cyber Security betrifft leider nicht nur die IT, also die klassische Unternehmens Informationstechnologie, wie interne Netzwerke, Computer der Mitarbeiter, Handys etc., sondern auch die OT, also die Operational Technology. Der Begriff OT umfasst auch Dinge wie die Umspannwerke oder Wasserturbinen bei einem Wasserkraftwerk. Auch diese Komponenten laufen schon lange system- und softwaregesteuert. Jede Software wiederum, die mit dem Internet verbunden ist, ist korrumpierbar. Wie immer im Leben wird es hier keine 100%ige Sicherheit geben. Aber es müssen wohldurchdachte Massnahmenpakete entwickelt werden, um präventiv zu wirken, und auch, um im Fall eines (leider nicht ausschliessbaren) erfolgreichen Cyber-Angriffs reagieren zu können. Dies wiederum natürlich nicht als Feigenblatt für das Management, sondern als wirkungsvolles Instrumentarium für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit!
Zusammenfassung
Es lässt sich feststellen, dass auch 2019 ein Jahr mit vielen Herausforderungen sein wird. Jedoch kein Trend, keine Herausforderung kann überraschen, denn keine ist neu! Und doch befinden wir uns mitten in einer grossen „Revolution“ in der Energiewirtschaft. Oder etwas nüchterner formuliert: Die Branche befindet sich in einer Transformation ohne Option. Das Management von Energieversorgern und Netzbetreibern ist gefordert sich aktiv zu beteiligen und die Schwerpunkte zu definieren.
- Strategische Entscheidungen müssen vorbereitet werden, z.B. indem Szenarien zu neuen Geschäftsmodellen vorangetrieben werden und ganz konkret geprüft wird, was sinnvoll ist und wie man diese sinnvoll am Markt anbieten möchte.
- Diverse operative Herausforderungen müssen kurzfristig angegangen bzw. mit Hochdruck weitergetrieben werden. Unumgänglich ist daher trotz allem Marktdruck der Fokus nach innen, um eine leistungsfähige Belegschaft zu entwickeln, welche die nötigen Veränderungen auch inhaltlich treiben kann. Weitere operative Schwerpunkte ergeben sich aus dem steigenden Wettbewerb, sowie dem Effizienzdruck.
- Nicht zuletzt, die Digitalisierung und neue Technologien treiben alle Branchen und so auch die Energiewirtschaft vor sich her: Es ist unumgänglich sich intensiv auf die sich ergebenen Möglichkeiten zu fokussieren. Einerseits, weil es ein Imperativ ist, um in dem aktuell stattfindenden Strukturwandel zu bestehen. Andererseits, weil es eine Vielzahl von Chancen für die Zukunft eröffnet.
Anmerkung: Der Artikel orientiert sich bezüglich der Verwendung des scharfen S (ß) an der in der Schweiz gebräuchlichen Verwendung des doppelten S (ss).