Rüdiger Schulze

Quo Vadis E-Mobilität?

Ein Überblick zur Elektromobilität

Das Thema Elektromobilität ist heutzutage nahezu omnipräsent. Auf der einen Seite wird sie zitiert, wenn es um die Erreichung von Klimaschutzzielen geht, auf der anderen Seite wird sie als Antwort auf viele der aktuellen Herausforderungen von Mobilität interpretiert. Natürlich gibt es auch mehr oder weniger gewichtige Herausforderungen, die mit Elektromobilität einhergehen. Gleich vorab: Die Diskussion füllt Bücher und führt bei etwas Recherche im Netz, schnell zu mehrstündigen Lesemarathons. Insofern im Folgenden nur ein paar Fakten, eine High Level Übersicht zu Vor- und Nachteilen sowie eine Betrachtung der Handlungsoptionen von Politik und Energiewirtschaft.

Wichtig zu verstehen ist, dass Elektromobilität trotz aller technischen Innovationen und technologischen Verbesserungen der letzten Jahre nichts Neues ist. Bereits Mitte der 1830er Jahre wurden die ersten Elektromotoren entwickelt und bereits 1888 gab es einen Elektrowagen! Eine der oft zitierten Restriktionen in Zusammenhang mit der Elektromobilität ist die Reichweite. Doch schon damals lag die Reichweite der ersten Elektroautos bei ca. 100 km. Trotz dieser, für einige Leser gegebenenfalls, überraschenden Fakten, erstaunt es insofern nicht, dass allein in den USA im Jahr 1900 ungefähr 34’000 elektrisch betriebene Fahrzeuge auf den Strassen unterwegs waren. Dies mit weiter steigenden Verkaufszahlen und einem Absatzhoch im Jahr 1912. Erst ab 1910 gewann der Benzinmotor eine grössere Bedeutung, insbesondere durch die neue Technologie des automatischen Anlassers, das billige Öl, welches in grossen Mengen zur Verfügung stand, sowie die relativ grosse Reichweite der Fahrzeuge. Erst ab 2002 hat sich die Nachfrage nach Elektroautos wieder erhöht. Zum einen aufgrund der technologischen Verbesserungen der Akkutechnologie (Ladezyklen, Memory-Effekt und Ladezeit), zum anderen aber auch aufgrund des steigenden gesellschaftlichen Drucks, getrieben von Umweltaktivisten.

Per Ende 2018 waren in der Schweiz nur 13’067 Elektrofahrzeuge zugelassen. Das ist zwar gut, denn es handelt sich um eine Steigerung um 45% zu 2016. Andererseits ist es nach wie vor verschwindend gering im Vergleich zum Gesamtfahrzeugbestand des Landes. Gerade einmal 1,7% der Fahrzeuge wurden in der Schweiz Ende 2018 elektrisch betrieben. In Deutschland sieht es sogar noch dramatischer aus – hier handelt es sich nur um ca. 1% des Gesamtfahrzeugbestands. Dass es auch anders geht, zeigt Norwegen. Hier liegt der Anteil von Elektroautos immerhin bei knapp einem Drittel!

Doch woran liegt das? Ist elektrisches Fahren vielleicht doch nur etwas für die Wohlbegüterten? Die Statistik verrät, dass in den Kantonen Zug, Appenzell Innerrhoden, Schwyz und Zürich die meisten E-Fahrzeuge zugelassen sind – davon im Übrigen mit Tesla und BMW ein nicht unerheblicher Teil im Hochpreissegment. Oder liegt es einfach an den Rahmenbedingungen, wie dem nach wie vor nur langsam voranschreitenden Ausbau von Ladeinfrastruktur? Bis Ende 2018 gab es schweizweit nur ca. 5’000 Ladestationen, wovon nur 775 als die begehrten, und im Alltag nicht unwichtigen, Schnelllader ausgebaut waren.

Fakt ist, dass eine Vielzahl von Argumenten den Ausbau von E-Mobilität unterstützt. Da sind die erhebliche Verbesserung der Klimabilanz durch geringere Emissionen im Strassenverkehr zu nennen, welche sogar noch durch die sogenannte Rekuperation, also die Rückgewinnung von Energie während des Bremsvorganges, unterstützt wird. Auch der Wirkungsgrad von E-Motoren ist mit bis zu 90% deutlich über denen klassischer Verbrenner. Langfristig wird die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ohnehin immer wichtiger und die Diskussion der „besseren“ Antriebsenergie sich wahrscheinlich ohnehin erübrigen, da fossile Brennstoffe schlicht kaum mehr in ausreichender Menge verfügbar sein werden. Aber auch ganz praktische Aspekte sprechen für die Nutzung: Elektrofahrzeuge haben deutlich weniger Verschleissteile als klassische Verbrenner bzw. Selbstzünder und haben damit einen erheblich geringeren Wartungsaufwand. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass sich die verwendete Technologie für elektrische Antriebe und Akkus weiterhin verbessern wird. So zum Beispiel, dass in Zukunft deutlich effizientere Akkus verwendet werden, die wiederum weniger rare Metalle, wie die sogenannten Seltenen Erden verbrauchen.

Natürlich gibt es auch nicht zu vernachlässigende Einwände. So sind hier sicherlich als erstes die katastrophalen Abbaubedingungen der für die Akkus benötigen Rohstoffe und die massiven Umwelteinflüsse auf Mensch und Natur zu nennen. Auch ist der Wirkungsgrad sicher „in Perspektive“ zu rücken, da ja auch in der Gewinnung von Strom nicht unerhebliche Verluste von Energie anfallen und sich damit total ein geringerer Wirkungsgrad materialisiert. Hinzu kommt, dass auch für den Produktionsprozess von gegebenenfalls für die Stromproduktion verwendeter Ökostromanlagen, oder die E-Autoproduktion selbst erhebliche Mengen Energie aufgewendet werden. Weiterhin werden Argumente wie die geringe Reichweite sowie die geringe Geräuschemission, und damit das höhere Gefährdungspotential für Fussgänger, genannt.

Das Henne-Ei Problem der E-Mobilität – Autos oder Infrastruktur?

Das Grundproblem der E-Mobilität ist jedoch ein ganz anderes. Es handelt sich um eine klassische Henne-Ei Frage! Ohne die Biologie im Detail zu bemühen, zeigt sich hier eine gewisse Herausforderung, der schwer zu begegnen ist. Doch sicher ist: Die Problematik ist nicht neu und auch nicht einzigartig. Aber eindeutig zeigt sich, es braucht einen Trigger! Keiner kauft Autos ohne Antriebsenergie. Niemand braucht Videostreaming ohne einen Glasfaseranschluss. Kein Mensch lebt nur von Liebe.

Die Antwort heisst: Einfach machen und Strukturen schaffen! Und dieses Machen bezieht sich auf Rahmenbedingungen. Konkret: Sowohl politische Rahmenbedingungen als auch hinsichtlich dem Ausbau von Infrastruktur.

Politisch gibt es viele Möglichkeiten: Wirtschaftspolitisch am einfachsten durchzusetzen und gleichzeitig kurzfristig am effektivsten sind sicherlich Steuererleichterungen für E-Autokäufe sowie Reduktionen der KFZ Steuer bzw. die Befreiung davon. Aber auch direkte Förderungen sind möglich. Die EEG Umlage in Deutschland (Umlage für die Einspeisung erneuerbarer Energien entsprechend des Erneuerbaren Energien Gesetzes) hat gezeigt, wie sich zu „Begeisterung für klimagünstiges Handeln“ (oder für das extra zu verdienende Handgeld) motivieren lässt. Förderungen können reale Zuwendungen sein, beispielsweise für jede verbrauchte KWh Ökostrom oder jede „gewonnene“ KWh durch die Rekuperation. Hier gibt es viele Möglichkeiten.

Ein extremes Beispiel, mit allen nötigen Ausrufezeichen, ist hierbei sicherlich China. Hier wurden diverse Massnahmen lanciert, um die E-Mobilität zu fördern. Unter anderem wurde durch einfache Begrenzung der Zulassungsmöglichkeit für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor Fakten geschaffen. Wenn Verteilungsschlüssel angewendet werden, wo beispielsweise nur noch eine von vier Neuzulassungen einen Verbrennungsmotor haben darf, stellt sich schnell ein Trend ein.

“Freiheit ist ein hohes Gut, welches nicht leichtfertig beschnitten werden darf. Aber die Wahlfreiheit einer Generation, veraltete Technologien zu nutzen, darf nicht die Freiheit zukünftiger Generationen gefährden.“

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Mindestens ebenso wichtig wie politische Stimuli ist der umfangreiche Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Wichtig ist hierbei, zu verstehen, dass es sich um eine Infrastrukturleistung handelt, deren Aufbau nicht dem Markt überlassen werden kann. Hier muss der Staat investieren und Grundlagen schaffen. Nicht, um eine Technologie gegenüber dem Markt zu bevorzugen, sondern um allen Menschen eine Alternative für einen Umstieg zu neuen Mobilitätskonzepten zu ermöglichen. Es ist eine Frage der Chancen-Gleichheit und gleicher Ausgangssituationen. Es gibt bereits interessante Förderprogramme in Deutschland, um Investoren zu motivieren. So zum Beispiel richtet sich in Deutschland das Bundesprogramm für Ladeinfrastruktur des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) an Städte, Kommunen und private Investoren, um den Ladesäulenausbau zu beschleunigen. Ähnliche Programme gibt es in diversen europäischen Ländern, allein: Hier kann und muss noch deutlich mehr getan werden.

Weitere Massnahmen für die Änderung von Rahmenbedingungen zeigt beispielsweise Norwegen. Hier können E-Autos Busspuren nutzen, sie parken gratis und sogar der für die E-Mobilität erforderliche Strom kann, wie in Oslo, durch die Städte gesponsert werden.

Es zeigt sich, Möglichkeiten gibt es viele, aber es braucht politisch gewolltes und monetär incentiviertes Handeln. Leider fehlt hier bislang die Konsequenz. Der Blick herum zeigt jedoch weitere Beispiele, die zum Teil noch ernüchternder wirken: Mit dem heutigen Tag existieren in der Schweiz nur zwei öffentlich zugängliche Wasserstofftankstellen… Und das, wo die kalte Fusion für den Wasserstoffantrieb wohl die sauberste und klimaoptimalste Mobilitätsalternative ist.

Die Rolle der Energiewirtschaft: „Muss das wirklich sein?“

Es wirkt bei Branchenkongressen der Energiewirtschaft zum Teil so, als wenn der grosse ungelenke Bruder maulend ins Kinderzimmer geschickt wird, um aufzuräumen, was der kleine elterliche Lieblingsspross wieder einmal an Lego-Chaos verursacht hat. Die Energiewirtschaft in Person des grossen Bruders muss durch Trassenausbau (Übertragungsnetze), Weiterentwicklung und Steuerung der Verteilnetze sowie Einbindung der vielen dezentralen Prosumer die Arbeit machen, die all die vielen neuen Marktteilnehmer mit ihren Anforderungen und Angeboten erforderlich machen.

Ohne das Geschwister-Beispiel weiter anzustrengen, ist die Antwort verblüffend ähnlich: Ja, jemand muss es machen. Man kann etwas über Zulagen beim Taschengeld verhandeln, aber am Ende ist es alternativlos, dass die klassische Energiewirtschaft, die Netzeigentümer, Kraftwerksbetreiber und Vertriebsgesellschaften bei gewissen strukturschaffenden Aufgaben unterstützen müssen. Die E-Mobilität ist ein wichtiger Aspekt bei der Energiewende: Es ist nicht nur aufgrund energiepolitischer Entscheidungen wichtig, sich hier zu engagieren, sondern auch aus Nachhaltigkeitserwägungen und nicht zuletzt ökonomischen Gründen. Die Energiewende ist keine Vision von Futurologen oder Aktivisten à la Greta Thunberg, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag an die Politik, welche in vielen Ländern durch entsprechende Energiestrategien und Grundsatzprogramme institutionalisiert wurde. Die Mobilität ist dabei einer der grossen Hebel. Eine hervorragende Übersicht zu der Verteilung der Energieverbräuche bis hin zu der von Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn bezeichneten „Endenergieverbrauchstruktur“ in Deutschland und der Rolle des Verkehrs darin, bietet ein inspirierender Grundlagenvortrag, welcher auf Youtube unter „Energiewende ins Nichts“ gefunden werden kann. Fakt ist, hinter der Mobilität als grosser Treiber der Energiewende steht aktuell in wesentlichen Teilen die E-Mobilität.

Abb.1: E-Mobilität als Treiber der Energiewende

Doch wie gross ist eigentlich der Anpassungsbedarf ganz konkret, zum Beispiel im Bereich der Netze? Angenommen die Hälfte der Autos in der Schweiz (~2,2 Mio) wären E-Autos, würde dies einen zusätzlichen Verbrauch von 4,5 TWh Strom pro Jahr bedeuten. Dies wiederum entspricht ca. 7% des aktuellen Verbrauchs. Eine Anpassung der Netzkapazitäten auf diversen Netzebenen ist offensichtlich unvermeidbar. Ein weiteres Beispiel: Wenn alle Elektrofahrzeuge in Zürich abends zur gleichen Zeit ans Netz gehen würden, würde dies einen zusätzlichen Bedarf von 1,6 GW bedeuten – mehr als die Produktionskapazität des Kraftwerks Leibstadt.

Die Lösung ist allerdings mitnichten eine lineare Erweiterung der Netzkapazitäten. Der Lösungsraum ist breit und einer der Bausteine, neben den Erweiterungen der physischen Infrastruktur, heisst „Intelligentes Laden“. Ein ganz konkreter Anwendungsfall für die Digitalisierung in der Energiewirtschaft: Fahrzeuge stehen meistens still. Aus Bewegungsprofilen und den Strombedarfsprofilen lässt sich jedoch leicht der ideale Zeitpunkt zum Laden bestimmen und Stromspitzen im Netz können minimiert werden. Auch können die Akkus der Elektroautos im Rahmen von Smart Grid Optimierungen genutzt werden. Hieraus können wiederum weitere Geschäftsmodelle entwickelt werden. Beispielsweise hat ein Startup in Berlin ein Steuergerät auf den Markt gebracht, welches einen elektronisch vernetzen Stromzähler im Ladekabel integriert hat. Dieser sendet Kundendaten und Verbrauchswerte via Mobilfunk an die Stromanbieter. Klassische Energieversorger wiederum können diese Informationen kaufen und für ihre Optimierung der Netzkapazitäten nutzen.

Zusammenfassung

Die E-Mobilität ist über die definierten Energiestrategien vielen Staaten bereits heute als wesentlicher Bestandteil der Energiewende institutionalisiert. Es ist insofern schon lange keine Frage mehr des „OB“, sondern eine des „WIE“.

Anmerkung: Der Artikel orientiert sich bezüglich der Verwendung des scharfen S (ß) an der in der Schweiz gebräuchlichen Verwendung des doppelten S (ss).

Vielen Dank an Pascal Frank für seine Unterstützung bei der Recherche zum Artikel.

Quellen:

Die massiven Veränderungen der Energiewirtschaft

Die Digitalisierung erfasst die Energiewirtschaft und wird zu massiven Veränderungen führen. Erkennen Sie bereits die Chancen, die daraus entstehen?